Im Saal des Verspielt, Karl-Marx-Str. 35, 15712 Zernsdorf / Königs Wusterhausen
Programm:
Carola Bauckholt [*1958, D] Lichtung (2011)
Yves Chauris [*1980, F] Shakkei (2012)
Julio Estrada [* 1943, MX] Yuunohui’se’ome’yei (1983–1990)
Ondrej Adamek [*1979, CZ] Lo que no’contamo‘ (Strqu. Nr. 2, 2010)
Dieses Programm vereint eine vielfältige Auswahl zeitgenössischer Kompositionen, die sowohl natürliche Landschaften als auch emotionale Klangwelten und erweiterte Ausdrucksmöglichkeiten für Streichquartett ausloten. In überraschender stilistischer Vielfalt verbindet die vier Kompositionen die sensible Erkundung der Wechselwirkung zwischen Natur und Emotion, Form und Ausdruck: Bauckholts naturalistische Klanglandschaften, Chauris‘ stille Klanggemälde, Estradas auf x/y–Graphen basierendes Konzept und Adameks dynamische Flamenco-Texturen zeigen das Quartett dabei in seinem Element. Wie ein roter Faden werden Klangräume geschaffen, wo sich die Grenzen zwischen äußerer Welt und innerer Empfindung auflösen.
Lichtung (2011) der deutschen Komponistin und emeritierten Universitätsprofessorin Carola Bauckholt versetzt das Publikum mitten in einen imaginären Wald. Bauckholt erweckt Vogelrufe, Insektensummen und andere Naturklänge zum Leben, indem sie die Klangmöglichkeiten des Streichquartetts nutzt, um diese Geräusche zu imitieren und neu zu interpretieren. Die Grenzen zwischen Natur und Musik verschwimmen und erschaffen ein eindringliches akustisches Erlebnis.
Shakkei (2012) des u.a. am Pariser Conservatoire lehrenden französischen Komponisten Yves Chauris greift das japanische Konzept der „geliehenen Landschaft“ auf, bei dem der Blick auf entfernte Szenen in das Gesamtkunstwerk eines Gartens integriert wird. Chauris bezieht sich auf das berühmte Haiku von Bashô: „shizukasa ya, iwa ni shimiiru, semi no koe“ („Eine tiefe Stille, in die der Ruf der Zikaden in die Felsen einsinkt“).
Mit subtilen harmonischen Schichtungen und fein gearbeiteten Klangtexturen erschafft Chauris eine musikalische Landschaft von großer Stille und innerer Spannung.
nach Ives Chauris: https://www.yveschauris.com/shakkei/ (27.9.24)
Die im Raum verteilt zu spielende Komposition Yuunohui’se’ome’yei des international bekannten mexikanischen Komponisten Julio Estrada ist Teil einer Serie Yuunohui für verschiedenste kombinierbare Solo-Instrumente. Estrada arbeitet hier mit der Permutation und Verschmelzung musikalischer Parameter zu einem Mikrotimbre. Die fünf Graphen werden bei jedem Instrument anderen Parametern (Bogenwechsel, Kontaktstelle, Tonhöhe, Dynamik, Vibrato) zugeordnet, sodass eine Intensitätsänderung des Graphen sich zeitgleich auf mehrere Parameter auswirkt. Die Varianten Yuunohui’se, YuunoHui’ome und YuunoHui‘yei sind die Solostücke für Violine, Viola bzw. Violoncello. Alle Teile folgen mit Ausnahme von Introduktion und Finale demselben Formplan hinsichtlich ihres Materials und ihrer Dauern. Die Version des Kairos Quartetts besteht aus einer vollständigen, aber auf die beiden Geiger verteilten Aufführung des Violinsolos, mit dem Teile von Yuunohui’ome und YuunoHui’yei kombiniert werden.
Den Abschluss des Programms bildet das quicklebendige und humorvolle Lo que no’contamo’ (2010) des tschechischen Komponisten und (u.a. infolge seines Studiums bei Gilbert Amy) oftmals spektral arbeitenden Ondrej Adamek. Es ist inspiriert von seinen Begegnungen mit dem Flamenco während seiner Spanien-Aufenthalte. Adamek beschreibt die Komposition als eine freie und transformierte Interpretation von typischen Flamenco-Elementen: melancholische Melodien, gitarrenähnliche Gesten, starke Emotionen und plötzliche Ausdruckswechsel. Die zentrale Melodielinie, die in der ersten Hälfte des Stücks fragmentarisch erscheint, wird in der zweiten Hälfte zu natürlichen Flageoletts transformiert. Adamek experimentiert mit erweiterten Spieltechniken wie dem Halten der Geige in Gitarrenposition, Pizzicato in verschiedenen Positionen des Instruments und schnellen Glissandi, die das vibrierende Timbre des Flamencos nachahmen.
Nach Adamek: https://ondrejadamek.com/listen/lo-que-no-contamo/ (27.9.24)
Ermöglich durch den Verein für den ausgefallenen Klang e.V. mit Mitteln des MWFK Brandenburg